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100 Jahre und ein bisschen älter

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Der Blick zurück führt in Jeversen gelegentlich ins Dunkle. Als der 1000. Geburtstag des Dorfes anstand, ließ sich nur sehr vage belegen, dass der Ort schon um das Jahr 1000 bestand. Doch Hinweise, die in diese Richtung zielen, gibt es genug. Nicht anders verhält es sich beim Schützenverein Jeversen. Er ist 1907 offiziell entstanden, aber das Gründungsprotokoll existiert nicht mehr, wohl aber gibt es Beweise, dass in Jeversen schon früher um Königstitel geschossen wurde. So berichteten Gründungsmitglieder beim 50. Geburtstag des Vereins im Jahre 1957, bereits vor 1907 seien in Jeversen Königsscheiben angenagelt worden. Leider sind diese Scheiben nicht mehr vorhanden.

Das älteste Protokoll des Vereins stammt aus dem Jahre 1912. Es findet sich auf der Seite 3 des ersten Protokollbuches und ist vom Präsidenten W. Völker sowie vom Schriftführer Ferd. Heuer unterzeichnet. Die ersten beiden Seiten sowie der Einband des Buches fehlen. Das Buch insgesamt ist in einem extrem schlechten Zustand, weil es am Ende des zweiten Weltkrieges vom damaligen Schriftführer Otto Stöckmann unsachgemäß verpackt wurde, bevor er es in einem Erdloch versteckte. Es sollte den Kriegsgegnern nicht in die Hände fallen.

Immerhin, das Auf und Ab im Vereinsleben, Höhen und Tiefen sind dokumentiert. 1913 ist erstmals vom Bau eines Schießstandes zu lesen, vermutlich entstand er auf einem Grundstück des Bauern Ferdinand Heuer, denn ihm wurden damals 400 Mark Entschädigung gezahlt. Mit Beginn des ersten Weltkrieges erloschen die Vereinsaktivitäten. Am 18. April 1914 fand die letzte Jahreshauptversammlung vor einer fünfjährigen Pause statt. Erst am 4. Juni 1919 lebte der Verein wieder auf – in wirtschaftlich schwieriger Zeit. Wegen der Inflation musste der Beitrag 1923 auf 300 Mark vierteljährlich festgesetzt werden, und der König erhielt in diesem Jahr die stattliche Summe von 30 000 Mark. In den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts war der Schützenverein aktives Mitglied des Schützenbundes Allertal und 1927 Ausrichter eines großen „Bundesschießens“.

Seinerzeit gab es alljährlich zwei besondere Ereignisse im Vereinsleben: das Schützenfest und den Schützenball. Der Ball, meist im Januar oder Februar und stets auf dem Saal der Gastwirtschaft in der Ortsmitte, war lange Zeit mit einer Theateraufführung verbunden. Wann die Jeverser Laienschauspieler ihre Aktivitäten einstellten, ist nicht bekannt. Allerdings gibt es noch Textbücher, die Ende der dreißiger Jahre genutzt wurden.

Wie vielen anderen Lebensbereichen auch drückten die Nazis nach 1933 dem Schützenwesen ihren Stempel auf. Sie setzten zum Beispiel in Jeversen durch, dass nur ihnen genehme Persönlichkeiten ein Vorstandsamt übernehmen durften. Der Vorsitzende hieß jetzt „Vereinsführer“. Bis April 1942 fanden alljährlich „Generalversammlungen“ statt, auf Schützenball und Schützenfest wurde aber schon seit 1940 verzichtet. Der Grund: der zweite Weltkrieg. Er kostete vielen Vereinsmitgliedern das Leben. So wurde auf der Versammlung im September 1940 des am 16.Mai 1940 bei Sedan gefallenen Schützenbruders Hermann Helmers gedacht. Der Verein unterstützte während der Kriegszeit das Winterhilfswerk, zudem wurden sogenannte Opferschießen zu Gunsten der Angehörigen von Kriegstoten veranstaltet.

In der von Hunger und Wohnungsnot sowie vielen anderen Entbehrungen geprägten Nachkriegszeit lebte der Schützenverein Jeversen 1948 wieder auf. Schon 1949 wurde wieder ein Schützenkönig ausgeschossen. Plötzlich gab es wieder einen Höhepunkt im Dorfleben: das alljährliche Schützenfest. In großer Runde und sehr ausgelassen wurde meist sonntags und montags gefeiert. 1957 erlebte der Verein sein bis dahin größtes Fest. 26 benachbarte und befreundete Vereine erschienen mit zum Teil großen Abordnungen, um den Jeversern zum 50. Geburtstag ihres Schützenvereins zu gratulieren. Das gesamte Dorf war festlich geschmückte. Die Cellesche Zeitung schwärmte am 23. Mai 1957 von den großen Ehrenpforten und schönen Girlanden. Von den Gründungsmitgliedern lebten damals noch zehn. Sie nahmen auf einem Festwagen am Jubiläumsumzug teil.

In der Folgezeit blühte der Verein nachhaltig auf. Schießsportliche Erfolge stellten sich ein, die Jugendarbeit wurde forciert, eine Damenabteilung gegründet. Mit Hilfe der Gemeinde Jeversen, die kurz darauf aufgelöst wurde, entstand am Ziegenbergsweg, westlich des Kellerbergs, in Eigenarbeit ein ganzjährig nutzbares Vereinsheim. Hier wird nicht nur mit dem Luftgewehr und dem KK-Gewehr geschossen. Hier finden auch die Feste und Versammlungen des Vereins statt. Anfangs wurde der große Mehrzweckraum auch zum Tischtennisspielen genutzt. Doch leider stellte diese Sparte des Vereins ihre Aktivitäten bald wieder ein. Dagegen ist die Fußballsparte unverändert aktiv. Ihr kam zugute, dass parallel zum Schützenhaus – ebenfalls dank des Gemeinderates – ein Sportplatz geschaffen werden konnte.

Eine neue Vereinsfahne wurde 1982 geweiht, als der Verein sein 75-jähriges Bestehen feierte. Am Hirtenhaus vor einer großen Bühne verfolgten Delegationen von annähernd 30 Vereinen, wie Dr. Rolf Wilkens-Sannemann und Minister Wilfried Hasselmann die Fahnenweihe vornahmen. In jener Zeit wuchs der Verein auf mehr als 200 Mitglieder an. Insbesondere Mitbürger aus den Wochenendhausgebieten im Westen und Osten des Dorfes traten in den Schützenverein ein und unterstützten seinen Aufschwung.

Wie sehr sich der Schützenverein der Dorfgemeinschaft verpflichtet fühlt, war gut zu erkennen, als Jeversen sich auf die 1000-Jahr-Feier einstimmte. In schöner Harmonie wurde im Zusammenwirken mit dem Ortsrat und anderen Organisationen und Verbänden, zum Beispiel der Freiwilligen Feuerwehr Jeversen, eine Großveranstaltung organisiert, die weit über den Ort hinaus ausstrahlte und als gelungenes Fest vielen in bester Erinnerung geblieben ist.

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